Zeichen, aber keine Wunder

Da war das Spiel noch jung. Und unsere Coaches Don Freeman und Ulli Wermuth ahnten noch nicht, wie spät sie nach Hause kommen würden.
Gut abgestimmt: Unsere Coaches Don Freeman und Ulli Wermuth.

Jeder Baseballfan hat irgendwann in seinem Leben zum ersten Mal das Tänzchen des Basecoachs gesehen und gestaunt: Das gibt es gar nicht nur im Kino, die machen das ja wirklich! Es ist ein Teil der Kommunikation auf dem Platz in einem Spiel, das gleichermaßen die Athletik und das Hirn beansprucht, in dem sehr viel davon abhängt, den Gegner zu überraschen und zu überlisten. In jeder Spielsituation von Neuem eine der vielen offensiven Strategien im Fundus des einen Teams gegen einen der vielen defensiven Spielzüge im Repertoire des anderen zu stellen – und dann zu sehen, was passiert. Wer besser gezockt hat und wer auf die Idee des anderen besser reagiert.

Darum steht der Basecoach in seinem Viereck und schlägt sich in schneller Folge auf den Kopf, die Schultern, die Brust, die Ober- und Unterarme, die Oberschenkel. Und darum sieht auch der Gegner ganz genau hin. „90 Prozent davon sind Show“, sagt unser Coach Ulli Wermuth. Täuschungsmanöver, um sich vom Gegner nicht zu schnell decodieren zu lassen. „Zwei Zeichen bedeuten etwas.“ Eine Bewegung bedeutet: Achtet auf das nächste Zeichen. Und dieses nächste sagt dem Spieler, was er tun soll.

Welches aktiviert das nächste? Was wird dieses bedeuten? „Wir legen jede Woche neue Bedeutungen fest“, sagt Wermuth. „Ich glaube nicht, dass viele Gegner sie so oft ändern.“ Was dazu führt, dass die Geheimsprache schwer zu knacken ist. „Simon Gühring hat mir mal ein Zeichen geklaut“, erinnert sich unser Coach, aber oft passiert so etwas nicht. „Häufiger passiert es, dass man die Pitch Sequence klaut“, sagt Wermuth. „Dass man weiß, welcher Pitch als nächstes kommt.“ Sonst ist es in aller Regel die Unerfahrenheit junger Coaches, die dazu führt, dass der Code geknackt wird: „Die Jungen tun sich manchmal schwer“, weiß Wermuth. „Sie ändern das Tempo und werden langsamer, wenn das echte Zeichen kommt. Darauf achtet man.“

Auch die Kommunikation zwischen den Coaches im Spiel läuft mit Handzeichen ab. Mit Ulli Wermuth und Don Freeman stehen an den beiden Ecken des Infields zwei verschiedene Fachleute, beide erfahren, aber auf unterschiedliche Weise, beide mit unterschiedlichen Philosophien. „Don ist aggressiver als ich“, sagt Wermuth. „Er traut Runnern mehr zu. Dieses neue Onfield Management setzt das Team erfolgreich um.“ Sehr zum Wohlgefallen des Kollegen: „Ich mag es, die Runner in Bewegung zu bringen“, sagt Freeman. „Mit Hit-and-Run und Basestealing setzt man die Defensive unter größeren Druck und provoziert Fehler.“

Natürlich kommt es vor, dass beide Coaches in einer einzigen Situation verschiedene Ideen haben. „Wir tauschen uns auf dem Platz aus“, sagt Wermuth, eben mit Handzeichen. „Die finale Entscheidung liegt immer bei Don.“ Lange trainieren mussten die Coaches nicht, bis die Abstimmung funktionierte. „Wir haben die Zeichen einmal geübt“, sagt Wermuth. „Wir sind Profis genug, da ist das für uns ein Kinderspiel.“

Auch die Mannschaft musste prinzipiell nicht viel verändern, um sich auf Freemans Stil einzustellen. „In der Batting Practice machen sie das gut“, sagt Freeman. „Sie bewegen sich oft, bevor der Schlag kommt. Aber im Spiel vergessen sie es immer wieder. Das müssen wir immer wieder betonen: Lauft! Provoziert Fehler!“ Für den zweiten großen Unterschied sieht sich Freeman überhaupt nicht in der Verantwortung: „Sie schlagen besser als letztes Jahr“, erkennt der Coach. „Das hat mit mir nichts zu tun. Sie machen einfach einen besseren Job an der Platte.“

Was auch bei Freeman zur Überzeugung führt: Alle vier Spiele, die unser Bundesligateam in dieser Saison schon verloren hat, hätte es gewinnen können. „Gewinnen sollen“, sagt der erfahrene Coach sogar. „Wir haben aber viel zu viele Runs nach Fehlern bei normalen Plays kassiert. Das hängt mit Konzentration zusammen. Regensburg hat gegen uns in beiden Spielen zusammen 19 Run gescort. Elf nach Errors. Normalerweise wären die Innings vorbei gewesen. Das führt dazu, dass die Pitcher länger draußen bleiben und mehr werfen müssen – so kommt alles zusammen.“

Der Lösungsansatz? „Wir müssen aggressiver und zuversichtlicher werden“, fordert Freeman. „Das Gute ist ja, dass wir alle Fehler abstellen können. Manchmal ist ein Team einfach nicht gut genug. Dann muss man arbeiten und arbeiten und bekommt die Probleme einfach nicht in den Griff. Unser Team aber ist ein gutes Team. Alle Situationen, in denen wir Fehler gemacht haben, hatten wir vorher schon sehr oft richtig gelöst.“

Das ist es, was sich die Spieler immer wieder klar machen müssen. „Wir fragen: War das ein Ball, den man hätte fangen können? Sie sagen: Ja“, erklärt Freeman. „Wir fragen: Hast Du diesen Ball schon sehr, sehr oft gefangen? Sie sagen: Ja. Was ist also die Lösung? Einfach das Play machen. Wir brauchen keine großartigen Plays. Wir brauchen Routineplays. Und wir müssen uns bei jedem Pitch sagen: Jetzt kommt ein Schlag in meine Richtung. Auf diese Weise kann man nie überrascht werden. Und wenn man das verinnerlicht, fieldet man fast alles.“

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung, insgesamt oder in Teilen, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

 

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Zeichen, aber keine Wunder

Da war das Spiel noch jung. Und unsere Coaches Don Freeman und Ulli Wermuth ahnten noch nicht, wie spät sie nach Hause kommen würden.
Gut abgestimmt: Unsere Coaches Don Freeman und Ulli Wermuth.

Jeder Baseballfan hat irgendwann in seinem Leben zum ersten Mal das Tänzchen des Basecoachs gesehen und gestaunt: Das gibt es gar nicht nur im Kino, die machen das ja wirklich! Es ist ein Teil der Kommunikation auf dem Platz in einem Spiel, das gleichermaßen die Athletik und das Hirn beansprucht, in dem sehr viel davon abhängt, den Gegner zu überraschen und zu überlisten. In jeder Spielsituation von Neuem eine der vielen offensiven Strategien im Fundus des einen Teams gegen einen der vielen defensiven Spielzüge im Repertoire des anderen zu stellen – und dann zu sehen, was passiert. Wer besser gezockt hat und wer auf die Idee des anderen besser reagiert.

Darum steht der Basecoach in seinem Viereck und schlägt sich in schneller Folge auf den Kopf, die Schultern, die Brust, die Ober- und Unterarme, die Oberschenkel. Und darum sieht auch der Gegner ganz genau hin. „90 Prozent davon sind Show“, sagt unser Coach Ulli Wermuth. Täuschungsmanöver, um sich vom Gegner nicht zu schnell decodieren zu lassen. „Zwei Zeichen bedeuten etwas.“ Eine Bewegung bedeutet: Achtet auf das nächste Zeichen. Und dieses nächste sagt dem Spieler, was er tun soll.

Welches aktiviert das nächste? Was wird dieses bedeuten? „Wir legen jede Woche neue Bedeutungen fest“, sagt Wermuth. „Ich glaube nicht, dass viele Gegner sie so oft ändern.“ Was dazu führt, dass die Geheimsprache schwer zu knacken ist. „Simon Gühring hat mir mal ein Zeichen geklaut“, erinnert sich unser Coach, aber oft passiert so etwas nicht. „Häufiger passiert es, dass man die Pitch Sequence klaut“, sagt Wermuth. „Dass man weiß, welcher Pitch als nächstes kommt.“ Sonst ist es in aller Regel die Unerfahrenheit junger Coaches, die dazu führt, dass der Code geknackt wird: „Die Jungen tun sich manchmal schwer“, weiß Wermuth. „Sie ändern das Tempo und werden langsamer, wenn das echte Zeichen kommt. Darauf achtet man.“

Auch die Kommunikation zwischen den Coaches im Spiel läuft mit Handzeichen ab. Mit Ulli Wermuth und Don Freeman stehen an den beiden Ecken des Infields zwei verschiedene Fachleute, beide erfahren, aber auf unterschiedliche Weise, beide mit unterschiedlichen Philosophien. „Don ist aggressiver als ich“, sagt Wermuth. „Er traut Runnern mehr zu. Dieses neue Onfield Management setzt das Team erfolgreich um.“ Sehr zum Wohlgefallen des Kollegen: „Ich mag es, die Runner in Bewegung zu bringen“, sagt Freeman. „Mit Hit-and-Run und Basestealing setzt man die Defensive unter größeren Druck und provoziert Fehler.“

Natürlich kommt es vor, dass beide Coaches in einer einzigen Situation verschiedene Ideen haben. „Wir tauschen uns auf dem Platz aus“, sagt Wermuth, eben mit Handzeichen. „Die finale Entscheidung liegt immer bei Don.“ Lange trainieren mussten die Coaches nicht, bis die Abstimmung funktionierte. „Wir haben die Zeichen einmal geübt“, sagt Wermuth. „Wir sind Profis genug, da ist das für uns ein Kinderspiel.“

Auch die Mannschaft musste prinzipiell nicht viel verändern, um sich auf Freemans Stil einzustellen. „In der Batting Practice machen sie das gut“, sagt Freeman. „Sie bewegen sich oft, bevor der Schlag kommt. Aber im Spiel vergessen sie es immer wieder. Das müssen wir immer wieder betonen: Lauft! Provoziert Fehler!“ Für den zweiten großen Unterschied sieht sich Freeman überhaupt nicht in der Verantwortung: „Sie schlagen besser als letztes Jahr“, erkennt der Coach. „Das hat mit mir nichts zu tun. Sie machen einfach einen besseren Job an der Platte.“

Was auch bei Freeman zur Überzeugung führt: Alle vier Spiele, die unser Bundesligateam in dieser Saison schon verloren hat, hätte es gewinnen können. „Gewinnen sollen“, sagt der erfahrene Coach sogar. „Wir haben aber viel zu viele Runs nach Fehlern bei normalen Plays kassiert. Das hängt mit Konzentration zusammen. Regensburg hat gegen uns in beiden Spielen zusammen 19 Run gescort. Elf nach Errors. Normalerweise wären die Innings vorbei gewesen. Das führt dazu, dass die Pitcher länger draußen bleiben und mehr werfen müssen – so kommt alles zusammen.“

Der Lösungsansatz? „Wir müssen aggressiver und zuversichtlicher werden“, fordert Freeman. „Das Gute ist ja, dass wir alle Fehler abstellen können. Manchmal ist ein Team einfach nicht gut genug. Dann muss man arbeiten und arbeiten und bekommt die Probleme einfach nicht in den Griff. Unser Team aber ist ein gutes Team. Alle Situationen, in denen wir Fehler gemacht haben, hatten wir vorher schon sehr oft richtig gelöst.“

Das ist es, was sich die Spieler immer wieder klar machen müssen. „Wir fragen: War das ein Ball, den man hätte fangen können? Sie sagen: Ja“, erklärt Freeman. „Wir fragen: Hast Du diesen Ball schon sehr, sehr oft gefangen? Sie sagen: Ja. Was ist also die Lösung? Einfach das Play machen. Wir brauchen keine großartigen Plays. Wir brauchen Routineplays. Und wir müssen uns bei jedem Pitch sagen: Jetzt kommt ein Schlag in meine Richtung. Auf diese Weise kann man nie überrascht werden. Und wenn man das verinnerlicht, fieldet man fast alles.“

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