Die DBL-Saison 2025 begann für die Mainz Athletics ernüchternd. Immer wieder verlief es ähnlich: mit vielen Spielern left on base, mit einem Wanken im Relief-Pitching und zu wenig Kraft in der Offensive, um dies auszugleichen.
Das dritte Spiel der Saison, gegen die München-Haar Disciples, sah erst noch anders aus. Mit einem Spielstand von 6:6 am Ende des neunten Innings kam es zur Spielverlängerung. Das Extra-Inning eröffneten die Disciples dann stark: mit einem Triple bei zwei Läufern on base und einem Basehit hinterher. Der Punktestand sprang auf 6:9 und blieb bis zum Ende dort.
Einen Tag später lief es im zweiten Spiel gegen Haar deutlich besser. Yannic Wildenhain warf 9 Strikeouts bei 98 Pitches und die Offensive der Athletics trat stark auf. Nach sieben Innings ist Schluss, Mainz gewinnt 12:1.
Danach aber folgte eine herbe Durststrecke von neun Niederlagen. Regensburg, Stuttgart, Heidenheim, Gauting – es möchte nicht mehr klappen.
Sehenden Auges ist die Mannschaft mit kaum einer externen Verstärkung in die Saison gegangen. Die Devise: Ein Fundament für die Zukunft bauen und eigenen Talenten Spielzeit geben. Auch der neue Coach Vincent Colasuonno stand dahinter. Die Endplatzierung sollte dieses Jahr nicht so viel zählen. Aber so wie es lief, war es nicht geplant.
Mitte Mai, nach 12 verlorenen Spielen, sagt Nici Weichert, Second-Base-Spieler der DBL-Mannschaft und Sportdirektor der Mainz Athletics: „Wir wissen, dass wir ein besseres Team sind. Zwei Wins sind viel zu wenig.“ Den schlechten Start könne keiner auf die Jungen abwälzen, ist ihm wichtig. Auch erfahrene Spieler hätten nicht konstant geliefert. Zusätzlich hatte die Mannschaft von Beginn an mit außerordentlich großem Verletzungspech zu kämpfen – auch das in jedem Altersbereich.
Doch nicht alles lief schief.
Fantastisch war der zweite Saisonsieg gegen Haar (18.5.), mit einem herausragenden Complete Game von Yannic Wildenhain, der 9 Innings pitchte und dabei nur einen Earned Run kassierte, keine Walks zuließ und 8 Strikeouts warf. Mit einer starken Offensivleistung gewann Mainz 8:1. Am Abend zuvor hatte die Offensive auch schon überzeugt: mit 12 Hits auf Seiten der Athletics. Im zehnten Inning war das Spiel dann aber trotzdem – Déjà-vu – zu Gunsten der Disciples ausgegangen.
Dann, beim Doubleheader in Stuttgart (29.5.): der Sweep für die Mainzer. Cesar Carballosa hatte hier bei 7 at bats 6 Hits – sein persönliches Highlight der Saison. Als 18jähriger Catcher gehört er zu den jungen Spielern, die mehr Spielzeit bekommen haben, als sonst üblich gewesen wäre. Dafür ist er dankbar. „Ich habe mich als Spieler und Person weiterentwickelt und bin einfach besser geworden“, sagt er – und bestätigt damit die Mainzer Herangehensweise. Auf die kommende Saison blickt Carballosa hoffnungsvoll und wünscht sich neben mehr sportlichem Erfolg weiterhin eine wichtige Rolle für das Team zu spielen. „Die Mannschaft ist wie eine Familie“, sagt er.
Benjamin Thaqi sieht das ähnlich. Als erfahrener Spieler wechselte er dieses Jahr von Paderborn nach Mainz. „Die Team-Chemie ist grandios.“ In der Mannschaft ist er direkt angekommen und der Verlauf der Saison hat ihm den Spaß keinesfalls genommen. Er hebt seinerseits den Heimsieg gegen Heidenheim (31.5.) hervor, in dem Carl Feldmann (23) erst einen Grand Slam und dann nochmal einen Homerun schlug. Die Mainzer gewannen 11:5.
Mitte der Saison sagte Weichert noch: „Wenn es nach mir ginge, hätten wir noch mehr junge Spieler auf dem Platz gesehen.“ Weil das Verletzungspech nicht abreißt, kommt es tatsächlich so. Drei junge Spieler feiern sogar ihr DBL-Debüt: Ario Krischok (16), Johannes Haffner (19) und Lennart Richterich (23).
Beim Heimspiel gegen die Stuttgart Reds (12.7.) ist Richterich Catcher. „Wir hatten leider keine Chance gegen einen souveränen Stuttgarter Auftritt, aber es war das schönste Spiel meines Lebens“, sagt er. Seine erste DBL-Erfahrung vergleicht er mit einem Traum, der in Erfüllung geht. „Es hat sich einfach alles bis hierher ausgezahlt.“ Erst vor zwei Jahren hat Richterich angefangen zu catchen. „Dort werde ich den A’s vermutlich auch am meisten Nutzen bringen und trainiere dafür jeden Tag.“ Der Generationswechsel ist für ihn nicht so ein großes Thema. „Das hat die Mannschaft immer wieder gesehen und verschiedene Charaktere integriert. Ein gewisser Grundspirit bleibt und das macht es so besonders.“
Nach den Spielen in Stuttgart sind nur noch wenige Spieler unverletzt. Wildenhain gehört dazu – wenn man ein blaues Auge nicht zählt. Am 18. Juli liefert er erneut ein Complete Game ab, gegen Playoff-Teilnehmer Heidenheim. Sechs Innings lang lässt er keinen einzigen Hit zu und steht auf der anderen Seite selbst am Schlag.
Im siebten Inning landet er einen Single, kommt dann durch einen Double von Luis Otto (18) auf Third Base und durch einen Wild Pitch nach Hause. 3:0 für Mainz. Otto kann ihm direkt folgen, durch einen Sacrifice Fly von Carl Feldmann ins Center Field. Richterich schlägt in diesem Spiel seinen ersten Auswärtshit und kann im achten Inning scoren, im neunten Inning kommen noch Will Kilgore und Lennard Stöcklin nach Hause. Mainz gewinnt 7:2.
Nick Mosier (24) gehört zu denen, die das nicht überrascht. Er selbst gilt in der ersten Mannschaft als gesetzt, findet aber generell: „Die Spielzeiten, die jüngere Spieler bekommen, sind verdient und basieren auf Leistung.“ Die Mannschaft habe zwar nicht gestartet, wie sie es sich vorgestellt hat, aber: „Wir haben durch die Saison sehr viele Dinge gefunden, die uns besser gemacht haben.“
Auch Martin Kipphan, der älteste Spieler im Kader, sieht die Entwicklung des Teams im Verlauf der Saison positiv. Und das, obwohl die Mannschaft so ausgedünnt wurde. Das sei nicht nur schwierig, weil man Positionen besetzen muss. „Ohne Konkurrenzkampf fehlt die Dinglichkeit, um das Maximum aus sich herauszuholen.“ Gerade in diesem Zusammenhang habe der neue Trainer gut gewirkt, findet Kipphan, und spricht von einer Aufbruchsstimmung, die zur Hälfte der Saison eingetreten sei.
Reilly Sullivan (20), der dieses Jahr nicht nur als Pitcher eingesetzt wurde, erwartet, dass sich die positive Entwicklung des Teams langfristig weiter zeigen wird. Alle zögen an einem Strang, auch wenn es mal verschiedene Vorstellungen gäbe. Ihm bedeutet genau das viel: Dass alle gemeinsam für die Zukunft zusammenarbeiten, für guten Baseball. Jeder Einzelne spiele dabei eine wichtige Rolle. Woanders, ist er sich sicher, würde er das nicht wiederfinden.
Coach Colasuonno ist seinerseits sehr bewusst zu den Mainz Athletics gekommen. „Mainz checked a lot of my boxes“, sagt er. Das Nachwuchsprogramm, die Trainingsanlage und der gute Ruf der Athletics hätten ihn überzeugt. „Es war die richtige Entscheidung“, sagt er jetzt, rückblickend. Auf Lieblingsmomente angesprochen, fallen ihm vor allem Menschen neben dem Spielfeld ein. „The best moments are the smiles on the kids’ faces and the cheer of the home crowd.“ Die Kinder, die Fans. „The folks behind the scenes. The staff, volunteers, facility managers, parents…“ Die Menschen hinter den Kulissen haben ihn beeindruckt. Die Ehrenamtlichen und engagierten Eltern.
Immer wieder gibt es diese positiven Worte, bei allen. Sie fallen für das Team, den Verein, die Menschen. Man könnte meinen, da gäbe es etwas Magisches in Mainz. – Wäre da nicht der Sportdirektor.
Nüchtern blickt er auf die Situation und speziell auf seine Aufgabe, die Weichen für den Erfolg zu stellen. Mit irdischen Mitteln. Klar: Wer das Besondere der A’s mit fehlendem Siegeswillen verwechselt, liegt falsch. Der vorletzte Tabellenplatz war weder das Ziel zu Beginn der Saison, noch ist die Mannschaft damit jetzt zufrieden. Und wer gewonnenen Meisterschaften kennt, wie Weichert, wird dieses Jahr resümierend nicht in Begeisterung ausbrechen.
Allerdings: Etwas, was sich nur bei Siegen einstellt, mag mitreißend und einem Höhenflug gleich sein, wäre so aber überall zu finden. Nicht nur in Mainz.
Eher besteht die Kausalität andersrum und das Einmalige kann zum Sieg verhelfen. Beim Schüler-Länderpokal hat sich das wunderbarer Weise ausgerechnet dieses Jahr gezeigt: Die SWBSV-Auswahl aus Mainz und Saarlouis gewann den Pokal – mit Nici Weichert in der Rolle des Auswahltrainers. Von einem außergewöhnlichen Teamgeist ist später die Rede. Von einer Haltung, die in jeder Faser der Mannschaft zu stecken schien und sich in Stärke übersetzte. Vom Himmel gefallen ist das nicht.
Und auf dem Bundesligafeld wollen die Mainzer von ihrem Team nichts Anderes sehen. Ein gekaufter Sieg und die Tribünen wären leer. Stattdessen entfaltet sich bei jedem Heimspiel eine Stimmung, die den Mainz Athletics eigen ist, die Zuschauerreihen füllt und den ganzen Verein trägt. Bis zum Schluss der Saison standen die Mainzer Fans ihrem Team zur Seite.
Das Abschluss-Spiel zu Hause (26.7.) brachte dann noch eine eigene Emotionalität mit sich: Der 33jährige Tim Stahlmann stand an diesem Tag zum letzten Mal als Pitcher auf dem Mound. Vor 27 Jahren hat für ihn alles angefangen, auf dem Schülerfeld der Mainz Athletics. Sein Blick zurück ist von großem sportlichen Erfolg, aber auch von engen, jahrelangen Freundschaften geprägt. Der Abschied fällt ihm nicht leicht. Umso schöner, dass sogar die Heidenheimer, gegen die er nun seinen letzten Pitch geworfen hat, beim Hochleben-Lassen mit einsteigen.
Die DBL-Saison 2025 ist mit diesem schönen Moment passend zu Ende gegangen, mit der Wertschätzung eines Mainzer Spielers, der aus dem vereinseigenen Nachwuchs in die Bundesliga gewachsen ist, dort lange Stammspieler war und mit nichts als Dankbarkeit über die Athletics spricht.
Spiele im Ballpark am Hartmühlenweg gibt es weiterhin zu sehen, von der zweiten Bundesliga zum Beispiel und natürlich: vom Nachwuchs.
Trotzdem freuen sich die Mainzer jetzt schon auf die DBL-Saison 2026. Auch die wird im Zeichen des Rebuilds stehen. „In zwei, drei Jahren werden wir wieder ein starkes Team haben und oben angreifen können“, sieht Weichert vorher. Wer weiß: Vielleicht wird die Mainzer Magie ihn überraschen und schon früher ein bisschen nachhelfen.
Text: Felicitas Pommerening
Fotos: Max Drevermann / Cole Sullivan