Der Umbruch nach der Meisterschaft kommt schneller als erwartet und sicherlich auch schneller, als sinnvoll gewesen wäre. Nur teils selbstverschuldet. „Die halbe Mannschaft ist ja gegangen“, erklärt Martin Kipphan.

Nationalität
jpn JPN
Position
Catcher
Alter
42
Größe
178
Gewicht
85
Vorherige Vereine
Zwei wichtige Spieler beenden ihre Spielerkarriere: Der unkontrollierbare Flitzer Ulli Wermuth und der kühle, furchtlose Stratege Janusz Radicke. Der italienische Profi Flavio Rinaldi und der Publikumsliebling Keigo Miyagi sind nicht zu halten. Der Top-Angreifer Sascha Lutz ist wieder der Top-Angreifer, aber wegen Verletzungen nur in der halben Saison. Immerhin bleibt Manuel Möller, der ein lukratives Angebot der niederländischen Spitzenmannschaft Mr. Cocker HCAW ausschlägt. Die stärkste europäische Liga würde den angehenden Physiotherapeuten schon reizen, „aber der Ausbildungsplatz war schwer genug zu kriegen“, erklärt der Pitcher.

Mit den neuen Ausländern haben die A’s kein Glück. Shu Sasaki wird nie der erhoffte Radicke-Nachfolger, hat immerhin als Coach und Mannschaftsbetreuer seinen Wert. Raef Hobbs-Brown ist als Catcher und Shortstop solide, aber nicht überragend. Daniel Hayes ist als Pitcher, Catcher und Shortstop nicht gut genug und wird nach dem ersten Spieltag der Rückrunde (5:4 und 3:16 gegen die Mannheim Tornados) wieder fortgeschickt, um Miyagis Rückkehr zu ermöglichen. Im Rückblick eine Fehlentscheidung, für die niemand etwas kann. Miyagi macht nur zehn Spiele – vier davon im Rightfield. Das sind die Partien, in denen er nach dem ersten Pitch unter Applaus ausgewechselt wird, nur der Form halber überhaupt aufgestellt ist, um in den Playoffs spielberechtigt zu sein. Der Grund: Eine schwere Muskelverletzung keine zwei Wochen nach seinem starken Comeback, mit der vorher keiner rechnen konnte.

Nationalität
ger GER
Position
Pitcher
Third base
Shortstop
Alter
38
Größe
178
Gewicht
85
Vorherige Vereine
Dimitar Nassapow hingegen, als Pitcher der Sofia Blues das große Ausnahmetalent Bulgariens, ist ein hochinteressanter Spieler, den man gern länger in Mainz gesehen hätte. Nach einer Saison aber läuft Nassapows Aufenthaltsgenehmigung aus. Ebenso zeigt sich, dass man mit Hendrik Schewe, dem alten Routinier, der 2007 in seiner ersten Mainzer Saison keine große Rolle gespielt hat, durchaus viel Spaß auf dem Platz haben kann. Und Nils Hartkopf, der im Laufe der Saison gezwungenermaßen Starter des zweiten Spiels werden muss, entwickelt sich zu einem der besten Pitcher der Liga.

„In den Jahren zuvor war es immer so, dass gute junge Leute in die Bundesliga aufgerückt sind, für die kein Platz in der Mannschaft war“, erläutert Kipphan. „In Ullis Generation waren Patrick Küffner, Benni Hieronimi und Ulli auf der Bank, obwohl sie gut genug waren, später Manuel Möller, Florian Arnold und ich. 2008 war es zum ersten Mal umgekehrt. Junge Leute sind hochgekommen, die noch nicht bereit waren, weil sie gebraucht wurden.“ Max Doll ins Leftfield, Kevin Kotowski auf so ziemlich jede Position, Jan-Niclas Stöcklin ins mittlere Infield, gelegentlich Nici Weichert und Enzo Muschik. Inzwischen teils Nationalspieler. Damals gezwungenermaßen Leistungsträger. „Mir ist sehr recht, dass wenig von uns erwartet wird“, sagte Coach Cae Santos vor der Saison. „Es wird ein Erfahrungsjahr, in dem wir erst einmal stolpern müssen.“

Der Fehlstart in die Bundesligasaison ist schnell kompensiert. Den vier Niederlagen gegen Mannheim und Heidenheim folgen fünf Siege gegen Neuenburg, Gauting und Regensburg – gegen die Legionäre allerdings nicht auf dem Platz, sondern durch Spielwertung. Mit knapp positiver Bilanz gehen die A’s in die Rückrunde.

Viel Spaß haben sie trotzdem nicht. Es gibt große Momente wie Mike Larsons Grand Slam Homerun in die Regenwolken bei zwei Aus, zwei Strikes und keinem Ball im Spiel gegen Neuenburg. Oder wie Martin Kipphans Ground Rule Double nach zwei Intentional Walks zum Rückspielsieg gegen Regensburg. Dazwischen kassieren die A’s aber immer wieder unnötige Niederlagen gegen vermeintlich viel schwächere Teams.

Nationalität
ger GER
Position
Pitcher
Catcher
Infield
Alter
36
B/T
R/R
Größe
183
Gewicht
99
Vorherige Vereine
„Unterm Strich war Platz vier okay“, sagt Kipphan. Für die Solingen Alligators, die im Norden ohne Zeke Mitchem 27:1 Siege gesammelt haben, sind die A’s zwar noch langjähriger Angstgegner, aber diesmal haben sie keine Chance. Weil Max Boldt, in seinem fünften Bundesligajahr erstmals der wichtigste Mainzer Angreifer, im zweiten Heimspiel einen Drei-Punkte-Walkoff-Homerun schlägt, gibt es immerhin vier Viertelfinalpartien für die A’s.

Und dazwischen den Europapokal, gleichzeitig ein Erlebnis und ein Fiasko. „Wir dürfen die Ausländer nicht mitbringen, aber bei Grosseto stehen sechs Venezolaner auf dem Platz“, erinnert sich Kipphan. „Der Trip war cool. Wir waren mit unseren besten Freunden und den Mannschaftskameraden eine Woche in der Toskana! Aber auf dem Platz war es nur furchtbar.“ Alle Spiele gehen verloren. „Am schlimmsten waren aber die Schnaken“, sagt Kipphan. „Das Flutlicht hat die Moskitos aus ganz Italien angelockt.“

Denn es ist unfassbar heiß und schwül im Juni 2008 in Italien. Darum halten sich das kleine Häuflein Baseballer und ihre Freundinnen und Freunde die meiste Zeit im Pool ihrer Ferienanlage irgendwo zwischen den toskanischen Hügeln auf. Und sind froh, dass sie am späten Nachmittag auf den Sportplatz müssen. Sofern ihnen nicht gerade der Himmel auf den Kopf fällt. Die Bedingungen könnten besser sein beim Europapokal der Landesmeister; die Mainzer sind noch am wenigsten betroffen: Nur eins ihrer Spiele muss wegen des starken Regens um mehrere Stunden verschoben werden. Andere Teams haben weniger Glück. Wegen der heftigen Gewitter, die sich jeden Abend über Grosseto austoben, werden fast alle angesetzten Nightgames abgesagt und erst am nächsten Morgen gespielt.

Nationalität
ger GER
Position
Center field
Alter
47
Vorherige Vereine
Sportlich erleben die A’s in der Toskana ein letztlich wohl unvermeidliches Fiasko. Cae Santos muss das von Anfang an ahnen. Schon im Vorfeld nimmt der Coach bemerkenswert häufig das Wort „Urlaub“ in den Mund, wenn es um das Turnier geht. Große Ambitionen können sich die Mainzer nicht leisten, denn das Team, mit dem sie in Italien antreten, hat mit der Mannschaft, die am 3. Oktober des Vorjahres die Meisterschaft gewonnen hat, nicht mehr viel zu tun. Von den zehn Spielern, die in Regensburg den entscheidenden Sieg geholt haben, sind nur noch fünf dabei. Einer von ihnen, Teammanager Ulli Wermuth, hat mittlerweile seine Karriere beendet und soll nur im Notfall eingesetzt werden. Neben den Verletzten Keigo Miyagi und Sascha Lutz fehlen Dimitar Nassapow, der der Ausländerbeschränkung zum Opfer fällt, sowie Manuel Möller, Hendrik Schewe, Florian Arnold und Benjamin Hieronimi, die keinen Urlaub bekommen haben. Für fünf Spiele binnen einer Woche haben die A’s nur einen echten Pitcher dabei. Nationalspieler Möller und Arnold werden immerhin zum letzten Turniertag eingeflogen. „Unser Ziel ist es, Spaß zu haben“, sagt Santos. „Wir wollen den Urlaub genießen, möglichst unseren besten Baseball spielen, und wenn es eine Klatsche gibt, ist das nicht schlimm.“ Dennoch träumt der Coach insgeheim vom Halbfinale: „Wenn wir gegen die Belgier und die Franzosen gut spielen, ist Platz drei oder vier drin. Es kann aber auch so kommen, dass wir nur das Spiel um Platz sieben gewinnen.“

Aber nicht einmal das gelingt den Mainzern. Zum Auftakt halten sie im kleinen Stadion Simone Scarpelli gegen die Rouen Huskies gut mit, verlieren aber 5:7. Tags drauf beginnt auch das Spiel gegen die Royal Greys Antwerpen nicht schlecht, aber die Mainzer halten keine neun Innings durch. Die 2:9-Niederlage, bei der immerhin der junge Jan-Niclas Stöcklin seinen ersten Homerun schlägt, ist etwas zu hoch, geht aber in Ordnung.

Nationalität
ger GER
Position
Pitcher
First base
Outfield
Alter
32
Größe
183
Gewicht
80
Vorherige Vereine
Beim einzigen A’s-Auftritt im großen Stadion Robert Jannella gegen die Grosseto Orioles gibt es sofort Ärger. Die Gastgeber spielen die falsche Strophe der Nationalhymne: Deutschland, Deutschland über alles. „Respektlos“, tobt Ulli Wermuth. Auf dem Platz ziehen sich die A’s ordentlich aus der Affäre. Offensiv sind sie chancenlos gegen die italienischen Profis, aber die Defensive ist stark genug, um weniger als einen Run pro Inning zuzulassen und ein frühzeitiges Ende per Ten-Run-Rule zu verhindern. Ein großes Spiel macht der 16-jährige Max Doll im Centerfield. Egal, wo die italienischen Flugbälle vom Himmel fallen: Doll steht längst da und hält den Handschuh auf.

Das Halbfinale haben die A’s klar verpasst. Das folgende 1:8 gegen die Marlins Puerto Cruz (Spanien) ist noch halbwegs erträglich, das 5:18 gegen die bis dahin ebenfalls sieglosen Russen von Tornado Balaschicha eine Blamage.

Für die wenigen Mainzer Fans klingt das Turnier in der toskanischen Nachmittagssonne mit Höflichkeitsapplaus für die Russen, die keinen einzigen Fan mitgebracht haben, und selbstgespielter Musik vom Laptop aus. Die ersten machen sich direkt auf den weiten Heimweg. Wer mag, sieht sich am späten Abend im großen Stadion noch das Endspiel an. In einer zähen Partie gewinnen die niederländischen Profis von Corendon Kinheim den Titel. Und am folgenden Morgen sieht man die müden Sieger im Flughafen von Pisa in einer Reihe an der Wand dösen. Einer hält den großen Pokal im Arm. cka / Fotos: Tanja Szidat, Manfred Holzhauser

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